Mit Herz und Verstand einen Tierschutzhund vermitteln und adoptieren

ein Beitrag von Mirjam Cordt:

“Die Vermittlung eines Hundes ist nicht einfach nur ein Kaufgeschehen, sondern vielmehr eine Adoption, die gewissenhaft und einfühlsam vonstattengehen sollte. Sowohl der Tierschutzverein als auch die neue Familie tragen maßgeblich dazu bei, dass für den Hund ein dauerhaftes Zuhause bei einer seinen Bedürfnissen entsprechenden Familie gefunden wird.

Gewissenhaft ist darauf zu achten, ob die zukünftige Familie und der favorisierte Hund überhaupt zusammenpassen, denn eine missglückte Adoption geht in erster Linie zu Lasten des Hundes. 

Aus diesem Grund ist in dem von mir geleiteten Tierschutzverein „Hilfe für Herdenschutzhunde e.V.“ das Ausfüllen eines Interessentenfragebogens der erste Schritt für eine Adoption. Wer noch nicht einmal zu der Beantwortung der Fragen bereit ist, dem können wir nicht guten Gewissens einen unserer Schützlinge anvertrauen. Aussagen wie „Dieser Hund oder keinen“ und „Bei uns hat er den besten Platz der Welt“ sind nicht ausreichend. Es sollte selbstverständlich sein und vom Interessenten wertgeschätzt werden, dass der Tierschutzverein sich die Mühe macht und zum Wohl des Interessenten und des Hundes genau abwägt, ob beiden gerecht werden kann und sie zu einem harmonischen Ganzen zusammenwachsen können.

Dank des Fragebogens kann sich der Tierschutzverein ein Bild von den räumlichen (Wohnung oder Haus, Stadt oder Land etc.) und familiären Vorgaben (Kinder, Tiere etc.) und der Erwartungshaltung der neuen Familie machen. So fällt es den Betreuern leichter abzuwägen, ob der favorisierte Hund überhaupt als neues Familienmitglied geeignet ist. Ist dies nicht der Fall, so zeugt es von Verantwortungsbewusstsein, wenn von diesem Hund abgeraten wird. Dies ist keineswegs ein Zeichen dafür, dass der Verein keinen seiner Schützlinge vermitteln möchte, sondern vielmehr ein Zeichen dafür, dass er sich Gedanken macht, welcher Hund zu dem jeweiligen Menschen passen könnte. Eine eilige, unbedachte Vermittlung nach dem Motto: „Hauptsache vermittelt“ und „Aus den Augen, aus dem Sinn“ ist keine seriöse Vermittlungsarbeit, sondern verantwortungslos sowohl dem Hund, als auch den Interessenten gegenüber. 

Auch wenn der favorisierte Hund sich möglicherweise nicht im örtlichen Tierschutzverein befindet, sondern eine größere Distanz zu fahren ist, sollte man sich für die Adoption Zeit lassen. Ein „Sehen – Kaufen – Mitnehmen“ ist nicht der richtige Weg. Selbst wenn der Hund auf den ersten Blick perfekt zu der neuen Familie zu passen scheint, so sollte man auch daran denken, wie er die Vermittlung erlebt. Selbstverständlich ist dann keine Zeit zu verlieren, wenn es gilt, einen Hund aus einer Notlage und einer tierschutzwidrigen Haltung herauszuholen! In diesem Fall ist dem Hund so schnell wie möglich zu helfen und das Veterinäramt einzuschalten.

Wird der Hund beim ersten Kennenlernen gleich seiner neuen Familie mitgegeben, so wird er abrupt aus seinem vertrauten Umfeld herausgerissen. Er weiß weder, wohin die Reise geht, noch kann er die neuen Menschen einschätzen. Wird dann noch am Ziel (unwissend) grob mit ihm umgegangen, weil erwartet wird, dass er sich umgehend und komplikationsfrei in das Leben der fremden Menschen integriert, dann erfährt für den Hund das Drama eine Fortsetzung. Die Menschen sollten grundsätzlich Verständnis dafür haben, dass für den Hund alles in seinem neuen Leben unbekannt ist, und ihm Zeit lassen, diese Eindrücke zu verarbeiten und sich einzugewöhnen.

Die Hilfe für Herdenschutzhunde e.V. erwartet von der neuen Familie, dass sie entweder mehrfach ihr neues Familienmitglied in seinem gewohnten Umfeld kennenlernt oder – bei einer größeren Entfernung – dass sie zumindest eine Übernachtung einplant und so den Hund über zwei Tage hinweg kennenlernen kann. Da eine Vorkontrolle vorgeschaltet wird, kann dann der Hund mitgegeben werden.

Bei den ersten Treffen sollte die Interessenten und der favorisierte Hund nicht allein gelassen, sondern von einem Tierheim-Mitarbeiter betreut werden. So wird einerseits der Bindungsaufbau des Hundes zu seinen neuen Menschen erleichtert, zudem sieht man den Umgang der Menschen mit dem Hund, und wie der Hund auf sie reagiert. In diesen Treffen wird noch einmal auf die Eigenheiten des Hundes und rassespezifische Besonderheiten hingewiesen und wie mit Verhaltensbesonderheiten umzugehen ist. Bei der Vermittlung unserer Schützlinge besteht die Hilfe für Herdenschutzhunde e.V. auf der weiteren Verwendung eines Brustgeschirrs und einem liebevollen, gewaltfreien Umgang im Training. Diesbezüglich wird in den Treffen Aufklärungsarbeit betrieben.

Vereinzelt gibt die Hilfe für HSH e.V. den Hund nach den ersten Treffen stundenweise über Tag mit. „Geschlafen wird Zuhause“ ist die Devise, solange der Hund noch nicht adoptiert ist. Diese Kurzzeit-Besuche machen den Hund mit der neuen Umgebung und den neuen Menschen vertraut, verarbeiten kann er die vielen neuen Eindrücke dann im gewohnten, sicheren Umfeld. Dieser allmähliche Übergang ist unser bevorzugtes Vorgehen bei einer Vermittlung, das jedoch aufgrund eines entfernten Wohnortes des Interessenten nicht immer praktiziert werden kann. 

Der Schützling sollte geimpft, von Parasiten befreit und – ab einem entsprechenden Alter – kastriert sein, körperliche Auffälligkeiten sollten medizinisch untersucht worden sein. Liegen Untersuchungsergebnisse vor, so händigen wir sie gerne der neuen Familie aus, genauso wie die Adresse der bisher konsultierten Tierärzte. Weiterhin geben wir das gewohnte Futter für eine Woche und einen Geruchsgegenstand wie ein Handtuch mit, um die Eingewöhnung in das neue Zuhause zu erleichtern.

Der Tierschutzverein sollte dem neuen Besitzer das Bewusstsein vermitteln, dass er sich bei Fragen und Problemen an ihn wenden kann. Sollte – aus welchen Gründen auch immer – eine Abgabe des Hunde selbst nach Jahren nötig sein, so sollte der ehemals betreuende Tierschutzverein die erste Anlaufadresse sein. 

In meiner Tierschutzarbeit erlebe ich unzählige geglückte Adoptionen der wundervollsten Wesen. Wir haben erwachsene Hunde aus äußerst schlechten Haltungsbedingungen an Familien mit Kindern und anderen Tieren vermittelt. Wir haben aber auch Hunde nur an ganz ausgesuchte Familien vermitteln können, da an ihre Adoption besondere Bedingungen zu knüpfen waren. Jedes Tier teilt mit, was es braucht – es kommt darauf an, genau hinzuhören.”

Wir danken Mirjam Cordt von der Hilfe für Herdenschutzhunde e.V. und Dog-Inform für die Überlassung dieses Textes.